Betäubungsmittelstrafrecht: Therapie anstatt Haft? Immer sinnvoll!?
Bevor auf die Möglichkeiten der Absolvierung einer Drogentherapie anstatt des Absitzens einer Haftstrafe eingegangen wird, sollen an dieser Stelle zunächst einige Schlüsselbegriffe des Betäubungsmittelstrafrechts erläutert werden:
Schlüsselbegriffe im Betäubungsmittelstrafrecht:
- Betäubungsmittel: Betäubungsmittel sind psychoaktive Substanzen, die das zentrale Nervensystem beeinflussen können. Hierzu gehören illegale Drogen wie Cannabis, Kokain, Heroin und verschreibungspflichtige Medikamente, wenn sie ohne ärztliche Anordnung verwendet werden.
- Besitz und Handel: Das Betäubungsmittelstrafrecht verbietet nicht nur den Besitz von illegalen Substanzen, sondern auch deren Handel.Der Handel mit Betäubungsmitteln wird bereits durch den Verkauf, Kauf, die Weitergabe oder den Transport dieser Substanzen definiert. Ein Handeltreiben scheidet indes aus, wenn Tätigkeiten entfaltet werden, die zwar auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtet werden, der Täter aber uneigennützig handelt, z.B. beim Verschenken von Betäubungsmitteln oder beim Weiterverkauf zum Selbstkostenpreis. Dies eröffnet unter Umständen Möglichkeiten für die Verteidigung.
- Erwerb: Der Erwerb von Betäubungsmitteln bezeichnet den legalen oder illegalen Erhalt von Substanzen, sei es durch Kauf, Tausch oder anderweitige Übernahme. Im Kontext des Betäubungsmittelstrafrechts ist der illegale Erwerb ein strafrechtlich relevanter Tatbestand.
- Schmuggel: Der illegale Transport von Betäubungsmitteln über nationale oder internationale Grenzen wird als Schmuggel betrachtet und ist strafbar.
- Eigenbedarf: In einigen Rechtssystemen wird der Besitz von geringen Mengen für den Eigenbedarf möglicherweise milder bestraft, aber es ist wichtig zu beachten, dass die Definition von Eigenbedarf variieren kann.
- Nicht geringe Menge: Der Begriff „nicht geringe Menge“ bezieht sich auf eine Menge von Betäubungsmitteln, bei deren Überschreitung besonders schwere Strafen drohen. Die genauen Grenzwerte sind im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verankert und differenzieren sich je nach Art der Substanz. Als Orientierung können jedoch folgende gängige Grenzwerte gelten:
- Cannabis (THC): Die nicht geringe Menge liegt beispielsweise bei 7,5 Gramm reinem THC.
- Kokain (Cocainhydrochlorid): Bereits 5,0 Gramm Cocainhydrochlorid können als nicht geringe Menge eingestuft werden.
- Heroin (Heroinhydrochlorid): Bereits 1,5 Gramm Heroinhydrochlorid können als nicht geringe Menge eingestuft werden.
- Amphetamine (Methamphetaminbase): Die nicht geringe Menge für Methamphetaminbase liegt bei etwa 5 Gramm.
Therapie statt Strafe!?
Die Entscheidung zwischen einer Therapie und einer Haftstrafe hängt von den spezifischen Umständen eines Falls ab, aber in vielen Fällen können therapeutische Maßnahmen erhebliche Vorteile gegenüber einer reinen Freiheitsstrafe bieten. Hier sind einige der wesentlichen Vorteile einer Therapie im Vergleich zu einer Haftstrafe, dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine mögliche frühere Entlassung und die anschließende Bewährung. Hier sind einige der relevanten Aspekte:
- Positive Beeinflussung der Haftdauer:
- Eine erfolgreich abgeschlossene Therapie kann sich positiv auf die Haftdauer auswirken. In einigen Fällen ermöglicht eine Therapie die Reduzierung der Haftzeit, wenn die betroffene Person nachweisen kann, dass sie an ihren Problemen gearbeitet hat und rehabilitiert ist.
- Frühere Entlassung durch Therapieerfolg:
- Die Möglichkeit einer früheren Entlassung aus der Haft hängt stark vom Erfolg der Therapie ab. Wenn die therapeutischen Maßnahmen dazu führen, dass die betroffene Person als rehabilitiert betrachtet wird, könnte dies zu einer vorzeitigen Freilassung führen.
- Bewährung als Alternative zur Haft:
- Eine erfolgreiche Therapie kann auch als Grundlage für eine Bewährungsstrafe dienen. In einigen Fällen wird die restliche Strafe zur Bewährung ausgesetzt, wenn die betroffene Person nachweist, dass sie durch die Therapie positive Veränderungen durchlaufen hat.
- Rückkehr in die Gesellschaft:
- Die Therapie zielt darauf ab, die zugrunde liegenden Probleme anzugehen, sei es Sucht, psychische Störungen oder andere Faktoren, die zu kriminellem Verhalten geführt haben. Dadurch wird die Person besser auf eine erfolgreiche Reintegration in die Gesellschaft vorbereitet.
- Bewährung als Anreiz für Therapieerfolg:
- Die Aussicht auf Bewährung kann als zusätzlicher Anreiz dienen, die Therapie erfolgreich abzuschließen. Der Gedanke an eine mögliche vorzeitige Entlassung kann die Motivation zur aktiven Teilnahme an den therapeutischen Maßnahmen erhöhen.
- Förderung von Resozialisierung:
- Eine Therapie legt den Fokus auf die Resozialisierung der betroffenen Person. Durch die Adresse der zugrunde liegenden Ursachen für kriminelles Verhalten wird eine stabilere Basis für eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft geschaffen.
- Kostenersparnis für den Staat:
- Eine frühere Entlassung aufgrund von Therapieerfolg kann zu Kosteneinsparungen für den Staat führen. Durch die Vermeidung einer langen Haftzeit reduzieren sich die mit der Inhaftierung verbundenen Kosten.
Therapieoptionen im Einzelnen nach § 35 BtMG und § 64 StGB:
Im deutschen Strafrecht gibt es zwei entscheidende Möglichkeiten, eine Therapie anstelle einer Haftstrafe zu absolvieren: § 35 BtMG und § 64 StGB.
Therapie nach § 35 BtMG:
Die Möglichkeit einer Therapie nach § 35 BtMG bietet eine Alternative zur Strafverfolgung für Personen, die wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz beschuldigt werden. Es sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, um für eine Therapie nach § 35 BtMG in Betracht zu kommen:
- Eignung für die Therapie: Die Person muss grundsätzlich geeignet für eine Suchttherapie sein. Es ist zu prüfen, ob die betreffende Person bereit und in der Lage ist, an einer Therapie teilzunehmen.
- Substanzauffälligkeit: Die Voraussetzung ist, dass die Tat im Zusammenhang mit einem Missbrauch von Betäubungsmitteln begangen wurde. Die Substanzauffälligkeit ist eine grundlegende Bedingung, um für eine Therapie nach § 35 BtMG in Frage zu kommen.
- Gefährdung der öffentlichen Sicherheit: Es muss eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Betäubungsmittelstraftat vorliegen. Diese Gefährdung kann beispielsweise aufgrund des Handels mit größeren Mengen Drogen oder anderer besonders schwerwiegender Taten festgestellt werden.
- Freiwillige Teilnahme an der Therapie: Die Teilnahme an der Therapie muss freiwillig erfolgen. Ein Zwang zur Therapie ist nicht vorgesehen. Die betroffene Person sollte sich aus eigenem Antrieb zur Teilnahme entschließen.
- Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts: Die Staatsanwaltschaft und das Gericht müssen der Therapie zustimmen. Hierbei wird in der Regel geprüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und die Therapieaussicht auf Erfolg verspricht.
Therapie nach § 64 StGB (Strafgesetzbuch):
Die Therapie nach § 64 StGB ist eine Maßregel zur Besserung und Sicherung. Um für eine Therapie nach § 64 StGB in Betracht zu kommen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Vorliegen einer psychischen Störung:
- Die betreffende Person muss an einer psychischen Störung leiden. Bei Betäubungsmittelabhängigkeit wird in der Regel von einer substanzinduzierten psychischen Störung gesprochen.
- Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit:
- Die begangene Straftat muss im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit aufgrund der psychischen Störung erfolgt sein. Dies bedeutet, dass die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich beeinträchtigt war.
- Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten:
- Es muss die Gefahr bestehen, dass die betreffende Person infolge der psychischen Störung erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Dies bezieht sich auf Taten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung.
- Substanzabhängigkeit als Auslöser der psychischen Störung:
- Bei Betäubungsmittelabhängigkeit muss die psychische Störung direkt auf den Gebrauch oder Missbrauch von Betäubungsmitteln zurückzuführen sein. Die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln wird als eine Form der substanzinduzierten psychischen Störung betrachtet.
- Erfolgsaussichten der Therapie:
- Die Anordnung nach § 64 StGB setzt voraus, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit durch eine Therapie erfolgreich behandelt werden kann und dass die Aussichten auf eine positive Entwicklung der betroffenen Person gegeben sind.
- Fehlende Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat:
- Es ist entscheidend, dass die betreffende Person bei Begehung der Straftat aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit schuldunfähig oder erheblich vermindert schuldfähig war.
Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht sollen nicht nur als Bestrafung, sondern auch als Mittel zur Abschreckung, Prävention und zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Gesellschaft dienen. Die Möglichkeit, Therapieprogramme zu wählen, zeigt jedoch auch eine Entwicklung hin zu einem verstärkten Fokus auf Rehabilitationsansätze und der Unterstützung von Personen mit Suchterkrankungen.
Fazit:
Eine Therapie kann im Gegensatz zu einer Haftstrafe etliche Vorteile haben. Allerdings kann eine abgebrochenen Therapie auch dazu führen, dass die Haftstrafe komplett abgesessen werden muss. Auch bei Straftaten von Ausländern, die eine Drogentherapie absolvieren und diese dann abbrechen, kann dies zu massiven Schwierigkeiten führen, wenn ein Ausweisungsverfahren droht oder bereits eingeleitet ist. Insoweit sollte genau geprüft werden, ob eine Therapie tatsächlich die bessere Option ist. Die reflexhafte Annahme, eine Therapie sei in jedem Falle besser und angenehmer ist damit falsch und sollte nicht in jedem Fall als Verteidigungsziel ausgegeben werden. Schlimmstenfalls kann eine abgebrochene Therapie damit so zu einem Eigentor werden.
Im Zweifel sollten Sie sich bei entsprechenden Fragestellungen durch einen spezialisierten Anwalt beraten bzw. vertreten lassen. Gerne dürfen Sie mich hierzu kontaktieren.